Zwanzig Jahre später: Für Menschen wie meinen Vater im Bundestag

Als 15-Jährige war ich offenbar noch nicht begeistert vom Reichstag. 2004 besuchte ich mit meinem Vater zum ersten Mal Berlin, und wir waren in der Kuppel, die damals noch nicht lange für Besucher geöffnet war. Als junges Mädchen habe ich oft „Bundestagsfernsehen“ bei Phoenix geschaut. Meine Mutter hielt das für verrückt – aber sie hielt mich nicht davon ab. So sah ich etwa am Bildschirm mit, wie die Agenda 2010 durchgebracht wurde. Heute diskutiert die CDU über eine Agenda 2030.
20 Jahre später ziehe ich nun als Teil einer neuen, größeren sozialistischen Fraktion in den Bundestag ein. Das hätte ich als junges Mädchen nicht zu träumen gewagt – auch wenn der Zauber des Parlaments in den letzten Jahren sicher nachgelassen hat.
Früher dachte ich, das Parlament sei der Hort der Macht. Heute weiß ich, dass man überall danach suchen kann – aber im Parlament findet man sie nicht. Vielmehr ist es die ökonomische Macht, die im Hintergrund unsichtbar bleibt und dennoch die politischen Entscheidungen bestimmt.
Wir sitzen nun als neue Linksfraktion im Bundestag, um eine Stimme für die arbeitenden und armen Menschen zu sein. Bei uns gibt es deutlich mehr Frauen und jüngere Menschen als in anderen Fraktionen, und wir haben Krankenschwestern und Arbeiter in unseren Reihen. Dass wir einem enorm großen Block an Faschisten gegenüberstehen, macht unsere Aufgabe umso größer. In der kommenden Legislaturperiode werden wir sowohl gegen Aufrüstung als auch gegen Sozialabbau kämpfen. Eine erste Einstimmung darauf gab es heute bereits. Die Linke wird gebraucht, und wir danken euch allen für die Unterstützung und die Stimmen, die uns im Parlament stark gemacht haben.
Es macht uns – und mich – stolz, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen.
Mein Vater, einer von vielen, der es nach der Wende nicht leichter hatte und früher starb als andere seiner Generation, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse jene krank machen, die unter die Räder kommen, wäre heute auch stolz gewesen. Für Menschen wie ihn sitzen wir dort. Für ihn sitze ich auch dort. 🤍
Artikel wurde am 26. März 2025 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://inesschwerdtner.de/blog/zwanzig-jahre-spater-fur-menschen-wie-meinen-vater-im-bundestag/.