Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen

Unsere Ergebnisse lassen sich nicht allein durch die gesellschaftliche Stimmung erklären. Wenn die Kompetenzwerte bei unseren Kernthemen in den Umfragen immer weiter sinken, muss uns das zur grundsätzlichen Frage bewegen, wer wir als Partei sein wollen und für wessen Interessen wir streiten.

Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Galt für Europa und gilt auch für Sachsen und Thüringen. Bild: Olaf Krostitz

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sind ohne jede Frage bitter. Vor allem was die gesellschaftlichen Verhältnisse betrifft, weil sich ein Trend, der sich seit langem abzeichnet, nun verfestigt hat: Die Rechtsextremen profitieren von Krisen und können ihre Dominanz im Osten trotz der Mut machenden Proteste zu Beginn des Jahres ausbauen und festigen. Das politische Zentrum, die Ampelparteien, hecheln diesem Trend hinterher, obwohl sie es selbst waren, die den Rechten durch knallharte Kürzungspolitik und Militarisierung der Gesellschaft noch den Weg geebnet haben.

Die Linke hat in beiden Bundesländern massiv verloren. In Thüringen ist unsere Partei nunmehr die viertstärkste Kraft und in der widersprüchlichen Lage, zur Verhinderung einer AfD-Regierung mit CDU, SPD und BSW zusammenarbeiten zu müssen. Die kommenden Wochen werden zeigen, wie diese Zerreißprobe gelingen soll. In Sachsen schafften wir es nicht über die 5-Prozent-Hürde, nur die zwei Direktmandate in Leipzig retteten uns in die parlamentarische Existenz. Ein Sieg in der Niederlage.

Unsere sächsischen Spitzenkandidierenden Stefan Hartmann (links) und Susanne Schaper (auch links, aber rechts im Bild) zusammen mit Landesgeschäftsführer Lars Kleba am Wahlabend in Dresden.

Ich habe diesen Wahlabend bei den Genossinnen und Genossen in Dresden verbracht, weil es mir wichtig war, dort zu sein, wo es vermutlich sehr schmerzhaft werden würde. Der Applaus an diesem Abend galt den unzähligen Genossinnen und Helfern aus dem ganzen Bundesgebiet, die diesen Wahlkampf gegen größte Widerstände und sogar Angriffe gemeistert haben. Die tags und nachts unterwegs waren, in Stadt und Land. Größter Respekt gebührt auch den Kandidierenden, die sich auf Podien und an Infoständen überall geschlagen haben. Und unseren wackeren Spitzenkandidaten, die bis zum Ende gekämpft haben wie Löwinnen und Löwen.

Klar ist, dass die gesellschaftlichen Umstände den Wahlkampf nicht einfacher gemacht haben. Gerade die letzten Wahlkampftage waren stark von der Messerattacke in Solingen und dem darauffolgenden medialen Diskurs um Migration und Sicherheitspolitik geprägt. Der Aktionismus der Ampelparteien, der im vorauseilenden Gehorsam die Politik der Rechten vorwegnimmt, ohne Plan und langfristige Strategie, bereitet das Feld vor allem für diejenigen, die diese Attacken politisch instrumentalisieren und über Verteilungsfragen nicht mehr sprechen wollen. In diesem Umfeld hat es die Linke schwer.

Klar ist aber auch, dass die Ergebnisse nicht allein durch diese gesellschaftliche Stimmung zu erklären sind. Die Wahlniederlagen gehen zu tief, es sind zu viele. Gerade weil uns bei den Themen soziale Gerechtigkeit und bei der Frage des Osten nicht mehr die Kompetenz zugesprochen wird, muss uns zur grundsätzlichen Frage bewegen, wer wir als Partei sein wollen und für wessen Interessen wir streiten. Wenn die Wähler uns das nicht mehr zutrauen, liegt das vor allem auch an uns. Wenn wir ältere Wählerinnen nicht mehr erreichen und unsere Stammwählerschaft verlieren, bleibt uns nur der Rückzug auf Hochburgen. Das mag an diesem Sonntag noch einmal funktioniert haben, eine allgemeine Parteistrategie und einen systematischen Aufbau in der Fläche ersetzt es nicht. Wir müssen daran arbeiten, in fünf Jahren nicht mehr zittern zu müssen an diesem Wahlabend, so sagte es Susanne Schaper auf der Bühne in Dresden und damit hat sie Recht.

Hoffnungsschimmer sind die Direktmandate in Erfurt, Jena und Leipzig. Sie beweisen, dass aktiver Wahlkampf und glaubwürdige Personen gewinnen können. Wir werden uns in den nächsten Wochen sehr genau anschauen müssen, was diejenigen dort anders und besser gemacht haben. Ich habe jedenfalls sehr viel auf meinen Besuchen in genau diesen Städten, beim Haustürwahlkampf und an Infoständen und Familienfesten gelernt. Und ich glaube, dass wir das für die Partei nutzen und verallgemeinern können. 

Gleichwohl ist am Wahlabend deutlich geworden, dass wir uns auf positive Ausreißer nicht verlassen dürfen, wenn wir als Partei langfristig überleben wollen. Das Signal muss klar sein, dass wir verstanden haben. Dass wir die Stärke im Osten nicht als gegeben ansehen können und dass das Vertrauen wieder erarbeitet werden muss. Ich bin davon überzeugt, dass wir das an den Themen der sozialen Sicherheit, des Friedens und für eine Perspektive der Beschäftigten in der industriellen Modernisierung wieder erreichen können.

Für den Moment gilt es, alles nun nach Brandenburg zu werfen und dort das kleine Wunder aus Sachsen zu wiederholen. Fahrt nach Strausberg, um die Genossinnen und Genossen im Direktwahlkampf zu unterstützen, besucht diejenigen im Spreewald, die Eure Hilfe auf den letzten Metern gebrauchen können. Und dann lasst uns gemeinsam im Oktober und darüber hinaus an einer Partei arbeiten, die wieder gewinnen kann.