Kontrovers und konstruktiv: Die MDR-Wahlarena zum Thema Landwirtschaft

Landwirtinnen und Landwirte sind zurecht sauer. Was ich aus der Debatte zur europäischen Agrarpolitik in der mdr-Wahlarena mitnehme.

Kontrovers und konstruktiv: Die MDR-Wahlarena zum Thema Landwirtschaft

Landwirtschaft bewegt nicht nur die Menschen, die dort arbeiten. Gleichzeitig haben Landwirtinnen und Landwirte manchmal das Gefühl, dass sie dauernd gesagt bekommen, wie sie ihren Job zu machen haben – auch von Menschen, die eigentlich fachfremd sind.

Dieses Spannungsfeld habe ich immer wieder bemerkt, als ich im Wahlkampf landwirtschaftliche Betriebe besucht habe, seien es genossenschaftliche Großbetriebe oder kleinere. Überall sprachen die Landwirte von Regelungswut und einer undurchsichtigen Bürokratie. „Zwei Tage Düngen und fünf Tage Papierkram“, beschrieb es einer. Seit Jahren und Jahrzehnten wird auf die bekannten Probleme nicht eingegangen. Steigende Pachtpreise und der Wegfall von Subventionen wie den Agrardiesel brachten das Fass dann bekanntlich zum Überlaufen.

Mein Eindruck in den vielen Gesprächen: die Probleme sind bekannt, niemand muss den Landwirten erklären, wie es besser geht, sie wissen es am besten selbst.

Und auch in der MDR-Wahlarena „Fakt ist“ zum Thema EU-Landwirtschaftspolitik wurde das wieder deutlich. Hier habe ich am Mittwochabend mit Kandidatinnen und Kandidaten der anderen im Bundestag vertretenen Parteien diskutiert.

Dabei wurde mir klar, dass dieser Themenkomplex auch deshalb für so viel Streit und Frust sorgt, weil die EU-Landwirtschaftspolitik grundverschiedene Ziele verfolgt, sie sich eigentlich ausschließen: Europa setzt sich zu recht hohe Standards beim Umweltschutz und in der Lebensmittelsicherheit. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU soll eigentlich ländliche Räume stärken und den Landwirtinnen und Landwirten ein ökonomische Sicherheit bieten. Gleichzeitig hat sich die EU-Kommission 1992 das Ziel gesetzt, dass die europäische Landwirtschaft auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig werden soll, die Subventionen also eigentlich wegfallen sollen. Handelspolitik und Landwirtschaftspolitik stehen also im Widerspruch. Und das seit Jahrzehnten. Nun kommen auch noch die Herausforderungen des klimagerechten Umbaus der Landwirtschaft hinzu. Auf der Branche lastet ein enormer gesellschaftlicher und ökonomischer Druck.

Die Landwirtinnen und Landwirten betrachten die Freihandelsabkommen der EU mit dem Rest der Welt daher zurecht kritisch. Denn darin wird festgeschrieben, dass wir statt Handel zu treiben, wo es sinnvoll ist – etwa um uns als Weltgemeinschaft gegenseitig gegen Ernteausfälle abzusichern – sich die Staaten der EU dem Weltmarkt unterordnen sollen.

Dies gilt auch für die Landwirtinnen und Landwirte, auf die so ein verschärfter Preisdruck entsteht. Entsprechend kritisch wurde das Thema angesprochen. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass die FDP auch handelspolitisch in der Vergangenheit stecken geblieben ist:

Nicht nur Freihandelsabkommen, auch die Marktstruktur macht den Landwirtinnen und Landwirten zu schaffen. Vier große Supermarktketten kontrollieren den Einkauf landwirtschaftlicher Produkte in Deutschland. Auch in der Lebensmittelindustrie herrscht eine enorme Marktkonzentration vor. Die Kartellbehörden beobachten die Situation mit Sorge. In den Berichten dazu kann man zwischen den Zeilen lesen, dass es nie soweit hätte kommen dürfen.

Klar ist: Die Marktposition der Landwirtinnen und Landwirte muss gestärkt werden – über gemeinsame Vermarktungsstrukturen, aber auch durch mehr Akteure am Lebensmittelmarkt. Für uns Linke ist klar: Hier muss das Kartellrecht greifen. Wir wollen faire Preise für die Landwirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher statt Milliardengewinne für Lebensmittelkonzerne und Supermarktketten.

In der Diskussion wurde leider sehr deutlich, dass hier von CDU und FDP wenig zu erwarten ist.

Auch offensichtlich wurde wieder einmal, dass das Thema Ernährung etwas sehr persönliches ist. Die Wählerinnen und Wähler, mit denen sich spreche, haben sehr verschiedene Ansichten, etwa zum Thema Bio oder Gentechnik. Aber eigentlich alle wüschen sich eine Möglichkeit, sich über ihren Einkauf umfassend informieren zu können. Auch deshalb lehnen wir als Linke die geplante Aufweichung der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU ab.

Alles in allem war es ein spannender, kontroverser, aber auch konstruktiver Abend – gerade der direkte Austausch mit den anwesenden Landwirtinnen und Landwirten war für mich erhellend. Für mich war am Ende klar: Die EU-Landwirtschaftspolitik ist durch tiefe Widersprüche gekennzeichnet und die Landwirtinnen und Landwirte sind zurecht sauer.

Die allermeisten von ihnen wollen die gesellschaftlichen Ansprüche, sichere, hochwertige Lebensmittel zu produzieren und dabei die Umwelt zu schützen, unbedingt erfüllen. Die Politik muss ihnen Rahmenbedingungen liefern, das auch tun zu können. Die Orientierung am Weltmarkt gehört grundlegend auf den Prüfstand gestellt. Denn die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa wünschen sich auch für die Zukunft höchste Standards bei ihrer Ernährung – und das zu fairen Preisen.